Sevim Özdemir hat den größten Teil ihres Lebens in der Keupstraße verbracht Sie wohnt und arbeitet dort weiterhin, als Miteigentümerin des Restaurants „Mevlana“ in der Keupstraße 45-51. Warum trägt das Restaurant den Namen des berühmten Sufi-Mystikers und Gründer des Derwisch-Ordens aus dem 13. Jahrhundert? „Weil wir aus Konya kommen, wo er gelebt hat und begraben ist, und wir ihm verbunden sind.“
Ihr Vater Mehmet Koc, geboren 1943, stammt aus einer Gastwirt- und Metzgerfamilie in Konya und verließ mit fünfundzwanzig Jahren seine Familie und Heimatstadt. Über Innsbruck, Stuttgart und anderen Städten kam er schließlich nach Köln. Er war nie lange an einem Ort, arbeitete immer sechs Monate oder ein Jahr in verschiedenen Fabriken, unter anderem auch in einer Dynamitfabrik in der Nähe von Köln. Nach einem halben Jahr bei Ford kam er 1976 in die Keupstraße, um im Restaurant Sark der Familie Bali als Koch zu arbeiten. Zwei Jahre später ließ er seine Frau Sari und die Töchter nachkommen, Sevim war damals vier und ihre Schwester Medine sechs Jahre alt. Sie erinnert sich noch gut an die erste Zeit in der Keupstraße: „Wir hatten nur deutsche Nachbarn, viele von ihnen ältere Leute, sie waren alle sehr freundlich und hilfsbereit. Und wir sind ihnen respektvoll begegnet. Für eine alte Dame habe ich öfters eingekauft: sie gab mir Geld und einen Zettel, auf dem stand, was sie brauchte. Nach einem halben Jahr habe ich schon ganz gut deutsch gesprochen.“
Nachdem Mehmet Koc sechs Jahre als Koch gearbeitet hatte, beschloss das Ehepaar Özdemir sich selbständig zu machen. Sie übernahmen 1982 die Metzgerei in der Keupstraße 47, gegenüber vom Restaurant Sarc, und wollten dort einen Imbiss eröffnen. Es dauerte anderthalb Jahre, bis sie dafür eine Konzession bekamen. Um die Miete bezahlen zu können, mussten sie bei Verwandten, Bekannten und Nachbarn Geld leihen. Es war eine schwere Zeit, und ohne die Unterstützung des Vermieters, Herrn Reen, wäre es noch härter gewesen. Er verzichtete auf sechs Monatsmieten und half ihnen auch, die für die Ausübung eines Gewerbes notwendige Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. „Herr Reen an uns und machte uns Mut“. Er lebte schon damals in Unna, aber kommt auch jetzt noch nach Köln um sie zu besuchen.
Als sie dann endlich eröffnen konnten, lief das Geschäft gut an, aber es bedeutete harte Arbeit für die ganze Familie. Mama war die eigentliche Chefin, sie organisierte die Arbeit und kochte nach ihren eigenen Rezepten, Papa machte den Einkauf und Döner, die Töchter halfen, wo sie gebraucht wurden. Sevim musste die Schule leider in der 9. Klasse abbrechen, weil sie dringend im Geschäft gebraucht wurde. Sie wurde dann auch bald mit der Buchführung betraut. Eigentlich hätte sie dafür eine Ausbildung machen sollen, aber da man nicht auf ihre Hilfe verzichten konnte, eignete sie sich die notwendigen Kenntnisse selbst an. Und damals hatten sie keine Spülmaschine, alles Geschirr und die Töpfe mussten im Spülbecken gewaschen werden, und die Zwiebeln wurden mit der Hand geschnitten. Die Familie arbeitete 16 Stunden am Tag, sie standen früh um sechs Uhr auf und kamen manchmal erst um 2.00 Uhr morgens ins Bett. „Es war eine harte Zeit. Wir hatten keine Zeit für Kino oder Spazierengehen, und unsere Freunde mussten ins Restaurant kommen, um uns zu sehen. Aber es hat auch Spaß gemacht“, meint Sevim Özdemir rückblickend. Und es hat sich gelohnt: 1996 kauften sie das Haus Nr. 47 und zwei Jahre später die beiden Nachbarhäuser zur Linken und zur Rechten, um das Restaurant zu erweitern. Die Erweiterung mit den notwendigen Umbauten erwies sich wegen zahlreicher bürokratischer Hürden als recht mühselig, vor allem das Bauamt der Stadt Köln bestand auf zum Teil sinnlosen Auflagen. Aber jetzt ist das Restaurant mit seiner Marmorfassade und den großen Fenstern ein Schmuckstück der Straße. Von anfänglich zwei Angestellten beschäftigen sie jetzt 47 Leute, und an Wochenenden 52. Mutter Sari ist jeden Morgen als Erste im Restaurant, sie organisiert alles und teilt die Schichten ein. Leider geht es dem Vater gesundheitlich nicht sehr gut, so dass er nur noch gelegentlich mitarbeiten kann.
Die Konzession wurde inzwischen auf Medine übertragen, die 1987 ihren Mann Muhittin in Konya geheiratet hat, und der ein Jahr später nach Köln gekommen ist. „Er ist die Wirbelsäule des Restaurants!“ Sie haben eine Tochter und zwei Jungen, einer von ihnen studiert, der andere macht eine Ausbildung, um später das Restaurant übernehmen zu können. Sevim und Medine haben ihre Ehemänner in Konya gefunden, sie sind miteinander verwandt, kennen sich schon lange und alle heißen Özdemir. Sevim hat 1991 geheiratet und lebt getrennt von ihrem Mann. Sie hat drei Kinder, zwei Mädchen und einen Jungen. Die drei Generationen leben in den Wohnungen über dem Restaurant, die über eine Terrasse miteinander verbunden sind, und „alle Kinder sind praktisch im Restaurant groß geworden.“
Die Eltern Koc und ihre zwei Töchter leben nun schon seit fast vierzig Jahren in der Keupstraße, wie hat sich die Straße in dieser Zeit verändert? „Als wir ankamen, waren die Häuser ziemlich heruntergekommen, und es roch darin oft nach Schimmel. Im Lauf der Zeit haben wir, die neuen Eigentümer, viel Geld und Mühe darauf verwandt, die Fassaden zu renovieren und die Innenräume zu modernisieren. Wir haben auch dafür gesorgt, dass das Straßenbild insgesamt schöner wurde, und wir bemühen uns, dass es so bleibt.“ Aber es gibt noch viel zu verbessern, und die Stadt sollte sich stärker engagieren, zum Beispiel sind die Spielplätze sehr vernachlässigt, seit zwei Jahren gibt es Ratten, nicht nur in den Hinterhöfen, und es fehlt an Parkplätzen. „Das ist seit jeher ein Problem, und es fehlt an der Kooperation der Behörden.“ Es müsste auch dafür gesorgt werden, dass die vielen Menschen, die seit einigen Jahren aus den Balkanländern, vor allem aus Bulgarien, zuwandern, besser integriert werden. Sie kommen in die Keupstraße, weil sie türkisch sprechen, aber sie haben meist keine Arbeit und wohnen in schlechten, überteuerten Unterkünften. Und diejenigen, die Arbeit gefunden haben, werden oft nicht angemessen bezahlt. Hier müsste die IG Keupstraße auf Vermieter und Arbeitgeber einwirken, und die Stadt müsste mehr kontrollieren.
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